Direkt zum Inhalt

Aus der ZeitschriftLoki 10/2023 | S. 56–57Es folgt Seite №56

LOKI intern | Die Präsentation des LOKI Spezials Nr. 51 in St. Gallen

Sich den Herausforderungen stellen

Im historischen Saal im ersten Stock des Bahnhofs St. Gallen fand am Dienstag, 22. August 2023, die Präsentation des LOKI Spezials Nr. 51 «Die Südostbahn – Chancen packen, Neues wagen» von Markus Löpfe statt. Passend dazu gab es auch eine Portion Verkehrspolitik.

Bei der ersten Ankündigung hätte das LOKI Spezial Nr. 51 «Die Südostbahn – Chancen packen, Neues wagen» im Herbst 2022 erscheinen sollen. Gesundheitliche Probleme bremsten das Projekt jäh aus, was allerdings weder den Autor Markus Löpfe noch den Stämpfli Verlag daran hinderte, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Im Juli 2023 war es dann so weit: das LOKI Spezial Nr. 51 gelangte in den Handel. Um dem Werk einen runden Schliff zu verpassen, organisierte Markus Löpfe einen Eisenbahn-Themenanlass mit Fachreferaten und der Präsentation des von ihm verfassten LOKI Spezials. Unter dem Motto «Zukunft braucht Visionen und Wurzeln» fand am 22. August 2023 im historischen Saal des Bahnhofs St. Gallen vor geladenem Publikum der Anlass statt. Das neubarocke Aufnahmegebäude des Bahnhofs St. Gallen wurde 1913 fertiggestellt. Dieses Gebäude musste nicht nur die Funktion eines Aufnahmegebäudes übernehmen, es diente von 1902 bis 1924 auch als Verwaltungsgebäude der SBB-Kreisdirektion IV. Das Bahnhofsensemble ist trotz unzähligen Modernisierungen, Umbauten und Funktionsänderungen nach wie vor das stolze Symbol der Ostschweiz zur Verkehrsanbindung an die restliche Schweiz. Davon zeugt auch der historische Saal im ersten Stock des Aufnahmegebäudes, in dem der Anlass stattfand.

Hanspeter Trütsch, der ehemalige Leiter der TV-Bundeshausredaktion von SRF, moderierte mit Witz und Schalk gekonnt durch die Veranstaltung. Gleich zu Beginn offenbarte er die neue Omnipräsenz der Südostbahn (SOB) in der Schweiz, die sich auch im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen im Gotthard-Basistunnel (GBT) zeigt.

Ein sichtlich stolzer Markus Löpfe stellte sich anschliessend persönlich vor und erläuterte seinen Werdegang sowie die generationenübergreifende enge Beziehung zur einstigen Bodensee-Toggenburg-Bahn (BT) und zur heutigen Südostbahn (SOB). Allerdings hatte er beruflich nie direkt mit einer Eisenbahn, aber mit Seilbahnen zu tun. Der Seilbahnhersteller Garaventa, sein einstiger Arbeitgeber, gehört heute zur österreichisch-schweizerischen Doppelmayr/Garaventa-Gruppe. Die kritische Zwischenfrage von Trütsch, ob denn die ÖBB oder die SBB besser seien, liess Löpfe offen. Nach einem kleinen Exkurs über seine Schreibtätigkeiten in Fachzeitschriften, zum Beispiel im Semaphor, stellte Löpfe sein neustes Werk dem Publikum vor.

Zwei Fachreferate

Im Anschluss ergriff der ehemalige BT-, SOB- und spätere VBZ-Direktor Guido Schoch das Wort und zeigte seine Freude am LOKI Spezial. Sein Referat «Bahnstrategie statt Giesskanne» nahm rasant Fahrt auf. Rasch war er beim Thema Visionen. Eine alte Strecke erhalten – durchaus auch ein visionärer Blick, wie sich zum heutigen Glück beim jüngsten Ereignis im GBT zeigt. Doch seien Visionen leider rar geworden, man zehre von kühnen Würfen vergangener Tage wie dem Taktfahrplan, der Bahn2000, AlpTransit und einigen S-Bahnen (z. B. Genf). Die nachfolgenden, oft sehr punktuellen Projekte ohne dahinterstehende Gesamtkonzepte führten eher zu Rückschritten. Dies sehe man besonders beim Fahrplanentwurf 2035, der viele substanzielle Verschlechterungen beinhalte, trotz 27 Milliarden Franken Investitionen nach Bahn 2000 bis 2035. Auch wenn Schoch lieber über Erfolge sprechen würde, müsse er die negativen Ereignisse ansprechen. Es sei nötig, diese zu erkennen, um die Herausforderungen der Zukunft anzupacken.

Sein Amtsnachfolger, der heutige SOB-CEO Thomas Küchler, doppelte in seinem Referat «Ist die Schweiz noch das ÖV-Vorzeigeland? – Eine kritische Analyse und: Was ist zu tun?» energisch nach und liess das interessierte Publikum tiefer in die Schweizer Verkehrspolitik eintauchen. Küchler kann aus eigener Erfahrung berichten, wie unsystematisch in letzter Zeit die Entwicklung erfolgte. Die regionalpolitischen Entscheide blockieren oftmals die nationalen Verkehrsinteressen. Fehlende gesamtheitliche Anforderungen und zu viele politische Fragen um Details lassen im Fahrplansystem oft Zeit verlieren, sodass mit milliardenschweren Investitionen schliesslich um Minuten gerungen wird. Er zeigte mit dem Finger allerdings auch auf die Bahnen selbst, auch auf seinen eigenen Betrieb, denn die subventionierten Unternehmen laufen oft Gefahr, es sich bequem zu machen. Sein Fazit zur Eingangsfrage ist eher nüchtern: «Ja, noch …, jedoch ohne kräftiges Gegensteuer bald nicht mehr!» In seinen Lösungsansätzen zieht er neue Kreise, die nicht nur die Schiene, sondern geschickt kombiniert auch den Individualverkehr einbeziehen. Auch sollte der digitale Sektor noch viel stärker berücksichtigt werden, d. h., auch ressourcenschonend auszubauen und nicht immer nur mit mehr Beton Neues zu bauen. Dies sei letztlich im Interesse jedermanns. Der Gestaltungsspielraum der Bahnen ist allerdings fast nur auf den Fernverkehr beschränkt, sehr eng hingegen sind die Vorgaben im Nahverkehr. Um den Modalsplit zugunsten des öV zu erhöhen, sieht Küchler allerdings Potenzial für bessere Mobilitätslösungen und erwähnt die bereits laufende Zusammen­arbeit im Projekt ÖV42 mit den SBB, der BLS, der PostAuto AG, der 42hacks Genossenschaft und dem Kanton St. Gallen. Zudem führt er Zusammenarbeiten mit der BLS und den SBB an, bei denen im Bereich der Infrastrukturen und bei Fahrzeugausschreibungen bereits Synergien genutzt wurden.

Bewirkt das LOKI Spezial etwas?

Markus Löpfe wollte mit seiner Arbeit aufzeigen, was aus den Leistungen der Vorfahren werden konnte und auch geworden ist, indem man immer wieder die Kräfte zielgerichtet gebündelt und eingesetzt hat. Und daraus abgeleitet, dass die Erfolge der SOB mit dem «Treno Gottardo» und den weiteren Fernverkehrslinien ihre Geschichte bzw. ihren Vorlauf haben und nicht einfach in der heutigen Zeit aus dem Nichts aus dem Boden gestampft werden konnten.

Mit dem Präsentationsanlass mit den beiden Referaten wollte er aufzeigen, was zu tun sei, dass mit optimalem Einsatz der vorhandenen Ressourcen das Gegenwärtige und somit auch das Erbe mit den Leistungen der Vorfahren in eine prosperierende Zukunft führen kann.

Trotz den von den Referenten erwähnten Defiziten kristallisierte sich bei der Präsentation deutlich heraus, dass sich stetig zielgerichtete Kräfte entwickeln, sodass der Schweizer Schienenverkehr nicht plötzlich ins Hintertreffen gerät und seine internationale Vorbildrolle wahren kann. Umso schöner ist es, zu sehen, dass das LOKI Spezial Nr. 51 einen kleinen Mosaikstein in dieser stets neue Lösungen erfordernden Entwicklung sein darf.

Hanspeter Trütsch, Markus Löpfe und Guido Schoch während der Fragerunde.
Das Referat von Thomas Küchler hinterliess beim Publikum einen starken Eindruck.
Melden sie sich für den LOKI Newsletter an und bleiben Sie informiert.