Die Berner Dekretsmühlen

Die Freude im Herbst 1918 war gross, als endlich die Waffen schwiegen und die von Leid und Entbehrung geplagten Völker Europas sich endlich friedlichen Dingen zuwenden konnten. Zu diesen gehörte hierzulande unter anderem die Reorganisation der Bahnen. Das war bitter nötig, denn durch den Ersten Weltkrieg hatten sich die Ressourcen stark verteuert, Brennmaterial zum Beispiel war, wenn überhaupt, nur zu rekordverdächtigen Preisen erhältlich. Die schweizerischen Bahngesellschaften setzten damals beim Betrieb auf Dampflokomotiven und mussten handeln, drohten doch ausgedünnte Fahrpläne das Wirtschaftswachstum empfindlich zu hemmen. Vor diesem Hintergrund hatte der Kanton Bern in einem mutigen und schweizweit einzigartigen Notprogramm per Dekret die Elektrifikation seiner Privatbahnen verordnet.

Im Rahmen dieser Elektrifikation wurde eine Reihe von neuen Lokomotiven beschafft – die «Dekretsmühlen». Sie erregten nie grosses Aufsehen, stellten technisch nichts Revolutionäres dar und standen deshalb immer im Schatten der «grossen» Lokomotiven wie der Be 5/7, der Ae 6/8 und der Ae 8/8, der BLS-Gruppe, bzw. im Fall der «Halbesel» – halb Lok, halb Personenwagen –, im Schatten der nachfolgenden Leichttriebwagen, der «Blauen Pfeile». Peter Hürzeler und Hans Roth, die Autoren des neuen LOKI-Spezial, finden: zu Unrecht! Denn die Dekretsmühlen standen dank zahlreichen, zum Teil auch schweizweit einmaligen Änderungen und Umbauten während fast acht Jahrzehnten zuverlässig im Dienst der BLS-Gruppe – viel länger, als man ihnen ursprünglich zugetraut hätte. Die beiden Autoren haben sich in den Archiven auf Spurensuche begeben und zahlreiche bisher kaum bekannte Fakten über die Ce 4/6 und Ce 4/4 sowie CFe 2/6 und Te 2/3 der BLS-Gruppe gefunden. Das Resultat ist ein spannendes Werk über ein Stück Bahn- und Wirtschaftsgeschichte des Kantons Bern.

Die Ce 4/6 301 mit einem kurzen GmP Ende der 1940er-Jahre bei der Einfahrt von Oberwil im Simmental.

Gegen Ende ihrer Dienstzeit wurden die Ce 4/4 öfter mal als Rangierlokomotiven eingesetzt, wie hier in Spiez zum Beispiel.